Matthias Finken (Jg. 1948) war bis 2024 Mitglied der Potsdamer Stadtverordnetenversammlung und ist Gründungsmitglied der Stadtteilarbeit Bornstedt und des Stadtteilladens.

Seit 2007 lebt er im Bornstedter Feld – einem Quartier, das er nicht nur als Wohnort, sondern als Aufgabe versteht. Mit seinem Engagement für Bürgerbeteiligung, soziale Infrastruktur und Stadtteilidentität hat er maßgeblich zur Entwicklung des Viertels beigetragen.

Im Interview blickt er auf 20 Jahre Wandel zurück, spricht über politische Mitgestaltung von unten – und entwirft eine Vision für ein Bornstedt mit starker Mitte und gelebtem Kiezcharakter.

Das Interview wurde am 20. September 2024 im Stadtteilladen aufgezeichnet.

Redaktion Erst einmal vielen Dank, dass der Termin heute geklappt hat, Herr Finken. Wie Sie vielleicht aus anderen Interviews der Stadtteilarbeit Bornstedt kennen, beginnen wir immer mit einer Eingangsfrage: Seit wann sind Sie überhaupt in Bornstedt?

Hr. Finken Seit 2003 sporadisch und seit 2007 wohne ich fest im Bornstedter Feld.

Redaktion Was hat Sie dazu gebracht, sich Bornstedt auszusuchen?

Hr. Finken Das war der Not geschuldet eine Bleibe zu finden. Ich war als Berufssoldat im Ausland stationiert und sah die letzte Verwendung auf mich zukommen und die sollte in Berlin stattfinden. Das war also sicher und deshalb musste ich schauen, wo ich mit der Familie eine Bleibe finde und habe frühzeitig angefangen, das war schon 2002, eine Wohngegend zu suchen, wo es uns gefallen könnte. Ich bin in dieser Zeit sehr viele neu entstehende Wohnsiedlungen abgefahren. Immer, wenn wir in Deutschland waren, meine Frau oder ich, haben wir geschaut, wo gibt es neue Entwicklungen, wo entstehen neue Wohngebiete und so sind wir dann auch durch Zufall im Bornstedter Feld gelandet. Wir haben uns das angeschaut, es war damals noch wenig zu sehen, nur die ersten Baufelder waren errichtet. An Infrastruktur gab es eigentlich noch gar nichts, aber man konnte schon sehen, dass hier etwas entstehen wird, auch durch den Volkspark, was interessant sein wird. Wir haben eine Checkliste gemacht und haben das alles mal abgehakt und zum Schluss waren eigentlich an allen Punkten grüne Haken, sodass wir ganz schnell zu dem Schluss gekommen sind, das Bornstedter Feld wäre eine Option.

Redaktion Können Sie sagen, was da auf der Checkliste ganz oben stand, was fand Ihre höchste Priorität?

Hr. Finken Höchste Priorität weiß ich gar nicht. Wichtig war einmal die Erreichbarkeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln, die Nahversorgung, städtisches Ambiente in der Nähe, dann ärztliche Versorgung natürlich, Schule, Kita waren zu der Zeit nicht aktuell, aber absehbar, weil meine Töchter älter wurden und Sportmöglichkeiten und vor allen Dingen die Nähe zum Grünen. Das waren Kriterien, die wir aufgeschrieben haben; und wenn Sie heute noch durchs Bornstedter Feld gehen und sich diese Kriterien anschauen, dann werden Sie überall einen grünen Haken machen können, denn das Wohngebiet bietet das, egal wo Sie sich im Wohngebiet aufhalten.

Redaktion Gab es irgendwas, wo sich Ihnen die Nackenhaare aufgestellt haben, wo Sie sofort gesagt haben, das könnte ein Hinderungsgrund werden?

Hr. Finken Eigentlich nicht. Ich habe mir verschiedene Objekte angeschaut und das, was mir als Öko-Objekt angeboten wurde, stellte sich für mich dann bei näherem Hinsehen als etwas heraus, was man sich nicht unter Öko-Bauen vorstellt. Dabei sind wir seinerzeit eigentlich hierhergekommen, um uns dieses Wohnobjekt anzuschauen, haben es dann aber nach ganz kurzer Besichtigung verworfen. Auf dem Weg sind wir dadurch jedoch zufällig im Frederiken-Viertel gelandet. Das war damals im Entstehen und die Bauweise, die Architektur, haben uns auf Anhieb zugesagt. Innerhalb weniger Stunden haben wir dann die Entscheidung getroffen: das ist es, da schlagen wir zu.

Redaktion Vor 17 Jahren, also 2007, sind Sie in Bornstedt angekommen, habe ich das richtig verstanden?

Hr. Finken Nicht ganz, 2002 etwa haben wir angefangen zu suchen, 2003 haben wir dann das Haus gekauft, das war damals noch im Bau, und 2007 sind wir dann selbst eingezogen.

Redaktion Okay, seit 2002 schon. Über zwanzig Jahre. Gibt es in der Entwicklung etwas, wo Sie zurückschauen und sagen, das hätte ich dann doch nicht gedacht, dass sich Bornstedt in diese Richtung entwickelt, das ist mir unsympathisch ….

Hr. Finken Eigentlich nicht, denn ich habe sehr frühzeitig angefangen, mich hier für die Entwicklung des Wohngebietes zu engagieren. Als damals die Baddiskussion losging, ob das Bad an die Biosphäre kommt oder an den Bauhausberg, diese Debatte hat mich geärgert. Wir hatten damals erst kurze Zeit hier gewohnt und den Eindruck, dass die Bewohner des Nordens eigentlich gar nicht gefragt wurden. Alle, die sich dazu äußerten, wohnten nicht hier, sondern südlich der Pappelallee und egal, ob das Politik oder Verwaltung waren; die Bürger, die hier wohnten, spielten kaum eine Rolle. Das hat mich sehr geärgert und dann habe ich mir gedacht, man muss diesen Menschen eine Stimme geben und habe mir dann überlegt, wie man das machen kann. Damals habe ich es Bürgerforum für den Potsdamer Norden. genannt Ich habe erst einmal Flyer erstellt und verteilt in dem damals recht kleinen Wohngebiet und recht schnell Mitinteressenten gefunden, die sich auch gern engagieren wollten für das neu entstehende Wohngebiet. So sind sehr schnell die Kontakte auch zur ProPotsdam entstanden und daher war ich auch immer gut informiert über das, was hier langfristig passieren sollte. Der gesamte Entwicklungsbereich war bereits grob projektiert und deshalb war mir klar, was hier alles entstehen kann und das haben wir auch gemeinsam weiterverfolgt. Ich habe es dann noch geschafft, dass wir das formalisieren konnten durch die Interessenvertretung Bornstedter Feld., die von der Stadtverordnetenversammlung beschlossen wurde.

Redaktion Können Sie das Jahr dazu sagen?

Hr. Finken Ich glaube, das war 2012. Und 2013 ist dann erstmals die Interessenvertretung Bornstedter Feld gewählt worden. Im letzten Jahr haben wir das 10-jährige Bestehen gefeiert. Sie (die Interessenvertretung) hat sich jetzt erübrigt, weil diese Organisation auf den Entwicklungsbereich bezogen war. Und zwar war die Aufgabe, so der Beschluss der Stadtverordneten, die Begleitung des Entwicklungsträgers und der Stadtverwaltung für die Entwicklung dieses Wohngebietes . Das heißt, es war räumlich und damit auch zeitlich begrenzt, da eine Entwicklungsmaßnahme immer einen Zeithorizont hat. Es zeichnete sich dann ab, ab 2018 etwa, dass der Entwicklungsbereich fertig entwickelt wird. Es kam doch nicht so schnell, aber ich habe dann veranlasst, dass eine Nachfolgeorganisation entwickelt wird. Dazu gab es auch einen entsprechenden Beschluss der Stadtverordnetenversammlung und der Stadtteilladen Bornstedt, der sich inzwischen gebildet hatte, bekam den Auftrag, diese Nachfolgeorganisation zu entwickeln. Wir haben demnächst eine Stadtteilversammlung. In der wird das, was von einer Arbeitsgruppe aus ganz Bornstedt entwickelt wurde, vorgestellt und auf den Weg gebracht wird. Die Interessenvertretung Bornstedter Feld wird durch das Stadtteilforum abgelöst. Das ist nicht regional auf dem Entwicklungsbereich begrenzt, sondern umfasst das gesamte Bornstedt.

Redaktion Sie waren dann um 2019 auch im Ausschuss für Soziales, Entwicklung und Wohnen in Potsdam, ist das richtig? Und für die CDU im Ausschuss Gesundheit, Soziales, Wohnen und Inklusion.

Hr. Finken Ich war im KUM (Klima, Umwelt und Mobilität, Anm. Red.). Ich habe zwar öfter an den Ausschusssitzungen teilgenommen, aber nicht als festes Mitglied der Fraktion. Ich bin durch das Engagement im Wohngebiet in die Kommunalpolitik gerutscht, völlig ungeplant, bin in die CDU eingetreten und 2014 erstmals zum Stadtverordneten gewählt worden. 2019 habe ich erneut als Spitzenkandidat für den Wahlkreis 2 kandidiert und bin wieder gewählt worden, sodass ich von 2014 bis 2024 Stadtverordneter war. 2024 bin ich dann nicht mehr als Spitzenkandidat angetreten und bin jetzt auch nicht mehr in der Stadtverordnetenversammlung.

Redaktion Sie hatten gerade schon gesagt, Sie gehörten quasi zu der Gründerorganisation, wenn man das so formulieren kann, unter anderem in der Entwicklung des Stadtteilladens. Wie haben Sie das in Erinnerung? War die Stadt offen dafür? Wie ging die Stadtverordnetenversammlung damit um? War das noch so neu, dass die Leute Sie mit Fragen erschlugen?

Hr. Finken Nein, eigentlich nicht. Wir haben regelmäßig Informationsveranstaltungen durchgeführt im Wohngebiet – zusammen mit der ProPotsdam. Die Zusammenarbeit mit der ProPotsdam und dem Entwicklungsträger war ausgezeichnet während der gesamten Zeit. Und bei einer dieser Informationsveranstaltungen wurde ich angesprochen von einer Gruppe von Bewohnern, die sich auch engagieren und das soziale und kulturelle Leben in den neu entstehenden Stadtteilen entwickeln wollten. Das war etwas, was wir als Interessenvertretung nicht leisten konnten, denn ehrenamtlich hat man begrenzte Kapazitäten, sodass wir das sehr begrüßt haben. Und die SIB (Stadtteilinitiative Bornstedt, Anm. Red.) hat sich dann nach, ich weiß nicht wie vielen Sitzungen, gegründet. Ich habe an den Sitzungen teilgenommen und war auch mit bei der Gründungsversammlung der Stadtteilinitiative Bornstedt, die dann als eingetragener Verein gegründet wurde. Die haben dann begonnen, sich um das kulturelle Leben zu kümmern, die hatten die „Kneipe für Jedermann“ und „Stadtteilfest“ und solche Formate organisiert und haben quasi diesen Teil der Entwicklung einer Gemeinschaft im neu entstehenden Stadtteil übernommen. Und in dem Zusammenhang entstand dann sehr schnell der Bedarf und die Diskussion über ein „Bürgerhaus“ oder „Bürgertreff“, auf jeden Fall über Räumlichkeiten, wo man sich treffen kann, denn das war leider nicht vorgesehen im Entwicklungsbereich und stand in der Entwicklungssatzung auch nicht drin. Das halte ich für einen Fehler, dass das nicht von vornherein mitgedacht wurde und auch nie vorgesehen war, denn ich halte es für sehr wichtig, dass Begegnungshäuser – gerade in neu entstehenden Stadtteilen – entwickelt werden. Es war dann möglich den Stadtteilladen Bornstedt zu gründen, das hat aber überwiegend die Stadtteilinitiative Bornstedt unternommen, zusammen mit der Werkstatt für Beteiligung.

Redaktion Und die Fachhochschule Potsdam war auch mit im Spiel, habe ich das richtig in Erinnerung?

Hr. Finken Wir haben eine Zeit lang sehr eng zusammengearbeitet mit der Fachhochschule, die etwa 15-17 engagierte Professoren, Studenten und Mitarbeiter hatte, die sich um die Integration der Fachhochschule in den neu entstehenden Stadtteil bemüht haben. Das Erste, was damals entstand, war der „Stadtteilgarten“ oder der „Campusgarten“, der zusammen mit der Stadtteilinitiative Bornstedt auch bewirtschaftet und beworben wurde. Die „Stadtrandelfen“ waren auch immer unter denjenigen, die sich mit engagiert haben. Die sind kurz nach Entstehen der Interessenvertretung auf die Habichtwiese gezogen und haben dort ihre Arbeit begonnen, so dass wir im Prinzip die Interessenvertretung, die „Stadtrandelfen“ und die „Stadtteilinitiative Bornstedt“ als Gründerkern haben, der sich um das soziale Leben im Stadtteil bemüht hat. Und wie gesagt, da ist dann der Stadtteilladen Bornstedt in die Diskussion gekommen und konnte schließlich auch realisiert werden mithilfe der ProPotsdam. Denn die große Frage war damals: welche Räumlichkeiten gibt es und wie werden sie finanziert?

Redaktion Ich höre jetzt, dass es vom Entwicklungs- bzw. Planungsbüro her nicht mitüberlegt war, so ein Begegnungshaus zu ermöglichen. Das ist vermutlich erstmal eine Hürde, viel später noch solch eine Idee zu etablieren. Gab es unüberwindbar erscheinende Schwierigkeiten, auf die Sie gestoßen sind, an die Sie sich noch erinnern?

Hr. Finken Also das eine war, diese Idee überhaupt erstmal reinzubringen. Die Systematik ist ja so, dass die Stadtverordneten eine Entwicklungssatzung beschließen und in dieser Entwicklungssatzung steht drin, was hier entstehen soll. Und dann wird ein Entwicklungsträger beauftragt, das umzusetzen, sodass die ProPotsdam, sprich der Entwicklungsträger Bornstedt das realisieren musste, was in dieser Entwicklungssatzung drinsteht. Und da stand das halt nicht drin. Deshalb war es für die ProPotsdam auch nicht möglich, so ohne weiteres ein Begegnungshaus zu entwickeln. Das hätte nachträglich vorgesehen werden müssen. Wir haben dann die verschiedensten Möglichkeiten diskutiert und es entstanden Pläne, dass Räumlichkeiten für die Stadtteilarbeit im Gymnasium am Reiherweg entstehen bzw. für die Stadtteilarbeit eingeplant werden könnten.

Redaktion Der Stadteilladen Bornstedt wäre also, ich nenne es mal: eine verstetigte Zwischenlösung? Denn das „Bürgerhaus am Reiherweg“, das gibt es bis heute nicht.

Hr. Finken Es gab noch mehrere Überlegungen: u.a., in die Biosphäre zu gehen, als sich die Frage stellte, was aus der Biosphäre werden könnte. Das ist dann aber bis heute nicht weiterverfolgt worden, weil die Zukunft der Biosphäre bis heute immer noch offen ist …

Redaktion … eher immer wieder, oder?

Hr. Finken … und da kann man aber auch sagen, dass die gesamte Entwicklung des Bornstedter Feldes von außen nach innen um den Volkspark herum durchgeführt wurde. Und das Letzte, was uns fehlt, ist ein Zentrum. Ein Zentrum für das Bornstedter Feld. Und deshalb habe ich in der letzten Wahlperiode gegen Ende noch einen Beschluss in die Stadtverordnetenversammlung eingebracht, dass die Fläche rund um die Biosphäre zu einem Stadtteilzentrum entwickelt wird. Das ist auch so beschlossen worden, sodass hier noch offen ist, ob und wie das durchgeführt wird. Da sollen auch, das war die Idee, Stadtteilfunktionen mitgebaut werden. Das ist allerdings noch nicht weiter in der Umsetzung. Wie das dann weitergeht, wird sich zeigen. Der Entwicklungsbereich ist insofern noch nicht ganz abgeschlossen, denn diese Fläche ist noch offen.

Redaktion Man weiß noch nicht, was mit der Biosphäre wird und wie der Eingang des Volksparks mal gestaltet wird?

Hr. Finken Diese gesamte Fläche, wenn man sich das anschaut vor der Biosphäre, die gesamte Straßenkreuzung, wo jetzt noch die Containerschule steht, bis hin zum Betriebshof des Volksparks, sowie der Riesenparkplatz, das ist die Fläche, die damit gemeint ist. Diese so zu entwickeln, dass ein richtiges Stadtteilzentrum entsteht, in dem sehr viele soziale Funktionen, die eigentlich im Stadtteil noch fehlen. Ich denke zum Beispiel an eine Bibliothek. Ein Bürgertreff wäre eine Möglichkeit. Weitere Infrastruktur für die Nahversorgung und Dienstleistungen, das könnte da alles entstehen.

Redaktion Wenn Sie jetzt hier im Stadtteilladen Bornstedt des Jahres 2024 sitzen, was für ein Gefühl haben Sie dazu? Da ist ein Plan aufgegangen und es hat sich gelohnt, die ganze Zeit reinzustecken oder sagen Sie, das hätte alles schon viel weiter sein können? Oder: ich habe es mir noch besser vorgestellt?

Hr. Finken Man ist natürlich am Anfang ungeduldig, muss aber lernen, dass die Entwicklung eines Stadtteils dauert. Man muss sich vorstellen, hier ist eine Kleinstadt entstanden von inzwischen über 14.000 Einwohnern und das geht nicht von heute auf morgen. Da spielt auch das wirtschaftliche Auf-und-Ab eine Rolle, es ist nicht nur die Entwicklungssatzung, die hier entscheidend ist, sondern ich brauche auch wirtschaftliche Akteure, die bereit sind, zum Beispiel eine Gaststätte zu bauen und zu betreiben oder Dinge anzubieten. Das war am Anfang natürlich alles viel schwieriger, weil hier um 2010, als wir anfingen, nur ca. 3.000 Einwohner wohnten. Inzwischen sind es 14.000, wie gesagt, und dann hat man ein ganz anderes Potenzial. Insofern muss man Geduld lernen und schauen, wie sich das entwickelt, was sich beeinflussen lässt und welche Möglichkeiten es gibt. Und da muss ich sagen, war die Zusammenarbeit mit dem Entwicklungsträger immer sehr hilfreich, die waren sehr aufgeschlossen und wir haben sehr viele Dinge besprechen und entwickeln können, die wir heute hier im Stadtteil haben. Dazu gehört auch der Volkspark, die Ausstattung des Volksparks und das Veranstaltungsmanagement. Als wir anfingen, war es fast an der Tagesordnung, dass die Anwohner sich beschwert haben über Lärmbelästigung. Wir haben in einer Arbeitsgruppe zusammen mit dem Volksparkmanagement, die da auch sehr kooperativ waren, Möglichkeiten ausprobiert und entwickelt, die Veranstaltungen so zu planen und durchzuführen, dass die Belastung für die Anwohner möglichst gering ist. Das ist meines Wissens auch heute noch Standard bei der Planung von Veranstaltungen. Jeder, der dort eine Veranstaltung macht, wird auch heute mit den damals erarbeiteten Grundlagen konfrontiert.

Redaktion Hat Bornstedt mit seiner Geschichte eine Chance, tatsächlich so einen Kiezcharakter zu entwickeln oder ist das hier eigentlich aussichtslos? Ich frage das aus einer persönlichen Perspektive: ich habe vorwiegend in alten langlebigen Kiezen gewohnt. Und für mich ist eine Entwicklung wie in Bornstedt ein ganz unbekanntes Terrain.

Hr. Finken Ja, so wurde das Bornstedter Feld zu Beginn beworben, nämlich, dass hier ein Kiezcharakter entstehen soll mit fortschreitender Bebauung. Ich halte das nach wie vor für möglich, aber ich halte es für ganz wichtig, dass wir dazu ein richtiges Zentrum bekommen, wo sich die Interessen bündeln können. Im Moment ist die gesamte Dislozierung der Infrastruktur dazu eher weniger geeignet. Der Stadtteilladen Bornstedt liegt zwar jetzt schon sehr zentral, hier hat sich eine ganze Menge entwickelt, daraus kann man aber schwerlich mehr entwickeln, weil einfach die Räumlichkeiten fehlen. Wenn ich aber ein richtiges Stadtteilzentrum habe, wo es ein Begegnungshaus gibt, wo mehr Räumlichkeiten zur Verfügung stehen, vielleicht eine Bibliothek zur Verfügung steht, eine Gaststätte entsteht, dann habe ich ganz andere Voraussetzungen. Das wird aber nicht von heute auf morgen gehen, sondern das wird sich hinziehen. Es könnten sich auch leichter Vereine entwickeln – das ist im Moment fast unmöglich. Sie finden hier keinen Raum, wo sie sich treffen können. Machen Sie mal mit jemandem aus, wir treffen uns in Bornstedt, und dann fangen Sie schon an zu überlegen, wo Sie sich abends überhaupt treffen könnten. Da gibt es nichts. Und dann muss man in die Innenstadt ausweichen, Das betrachte ich als großes Hindernis. Da müsste es also Möglichkeiten geben, dieses Kiezleben auch im Wohngebiet selbst zu entwickeln. Ein zweiter Aspekt für so eine Kiezatmosphäre ist immer auch die Bevölkerungsstruktur.

Redaktion Ich habe Bornstedt kennengelernt mit dem Titel „Schlafstadtteil“, weil sich hier doch eine große Anzahl an Pendlerinnen beheimatet hat, die eigentlich wenig Interesse haben bzw. wenig Bedarf spüren, diesen Stadtteil weiter zu entwickeln – weil sie ständig nach Berlin zum Arbeiten fahren, abends erst wieder hierherkommen, zum Teil viele Angebote eher in Berlin oder im Umkreis nutzen, zu Beispiel die Potsdamer Innenstadt. Wie beobachten Sie das?

Hr. Finken Na ja, Sie haben recht, der Begriff „Schlafstadt“ wird immer wieder verwendet. Das halte ich aber für eine Zeiterscheinung. Ich kann mir vorstellen, dass ein Teil der Bevölkerung auch durchaus ein Interesse daran hat, Sie sehen es an den Veranstaltungen, wenn ein Stadtteilfest ist, wenn Märkte organisiert werden, wenn in der Biosphäre Veranstaltungen angeboten werden, dann sind die sehr gut besucht, sodass also hier durchaus ein Bedarf besteht, an Gemeinschaftsveranstaltungen teilzunehmen. Ich sehe hier auch durchaus die Chance, dass sich das entwickeln kann. Es wird dauern und geht nicht von heute auf morgen und es braucht ganz sicherlich auch Menschen, die sich engagieren und das einfach mal anfangen. Es gibt immer mal wieder kleine Ansätze, ich denke jetzt an die Bürgerinitiative, die sich für den Erhalt des „Remisen-Parks“ angesetzt hat. Ich glaube, was den Erhalt der Jurten (im Volkspark, Anm. Red.) angeht, gibt es auch eine kleine Gruppe, die daran durchaus interessiert ist. Damals, als die Beachvolleyballplätze weggefallen sind, gab es auch eine Gruppe, die sich interessiert hat, sodass ich hier durchaus ein Potenzial sehe, das zur Verfügung steht und dass ein Bedarf besteht, ein soziales Leben zu entwickeln. Es werden nie alle daran teilnehmen, es sind immer nur Teile und insofern muss man halt einfach die Geduld haben.

Redaktion Wie ist Ihre Beobachtung, wie stark wirkt sich noch dieses „Alte Bornstedt“ <> „Neue Bornstedt“ aus? Würden Sie sagen, dass diese große räumlich trennende Straße auch als inhaltliche Grenze wahrgenommen wird, inwieweit wirkt das ein? Wird das noch längere Zeit eine Rolle spielen? (Ich nehme das jetzt gerade schon so ein bisschen vorweg, dass es tatsächlich eine Rolle spielt.)

Hr. Finken Mir ist das auch so begegnet, ja, in der Arbeitsgruppe für die Entwicklung der Nachfolgeorganisation, der Interessenvertretung, gab es die Überlegung, dass gesamt Bornstedt einbezogen werden soll. Es galt eine Struktur zu finden, in der sich gesamt Bornstedt wiederfindet. Gerade in der letzten Arbeitsgruppe war das ein Thema. Deshalb haben wir auch vorgeschlagen, die Akteure in „Alt Bornstedt“, wie die Feuerwehr, die Kirche, was es da sonst noch gibt, mit einzubeziehen, bei der Stadtteilversammlung und die Arbeit des neuen Stadtforums so zu gestalten, dass die von vornherein mit einbezogen werden, zumindest das Angebot zu schaffen. Daraus kann sich dann was entwickeln. Das muss man sehen. Es ist natürlich klar, dass Sie hier ein altes, gewachsenes, relativ kleines und überschaubares, dörflich geprägtes Wohngebiet haben: das „Alte Bornstedt“. Das ist nach meiner Beobachtung aber jetzt ebenfalls nicht so strukturiert, dass Sie hier von einem Kiezcharakter sprechen können. Wir haben das auch schon erlebt – die SIB bestand aus Familien, die in „Alt Bornstedt“ und in „Bornstedter Feld“ wohnen.

Redaktion Spielt die Ost-West-Biografie noch eine Rolle?

Hr. Finken Also, das kann ich nicht sagen. Für mich ist das etwas, was eher herbeigeredet wird. Solange ich hier wohne, habe ich nie irgendwelche Vorbehalte, weder auf der einen noch auf der anderen Seite kennengelernt. Man wohnt zusammen, lebt zusammen und es spielt eigentlich keine Rolle, wie man sozialisiert ist, wo man herkommt. In dem neuen Bornstedter Feld wohnen viele, die aus ganz Deutschland zugezogen sind. Wir haben Wohngebiete im „Alten Bornstedt“, wo das auch der Fall ist. Sodass ich insgesamt glaube, dass das (der Konkurrenzkonflikt, Anm. Red.) kein Thema ist.

Redaktion Gelingt die Integrationsarbeit in Bornstedt so gut wie in anderen Stadtteilen, vielleicht haben Sie einen Vergleich? Welchen Eindruck haben Sie bzgl. Bornstedt?

Hr. Finken Integration bezieht sich jetzt tatsächlich auf flüchtende Menschen, die hier untergebracht sind, beziehungsweise hier ankommen wollen Oder auch auf sozial benachteiligte Gruppen Es gibt hier eine ganze Reihe WBS-Wohnungen (Wohnungen mit sog. „Wohnberechtigungsschein“, Anm. Red.). Wir haben in der David-Gilly-Straße die Unterbringungseinrichtung für Flüchtlinge seit 2015 oder 2016 Das ist eigentlich nie ein Problem gewesen. Und wenn Sie sich beim Stadtteilfest anschauen oder bei Märkten, sieht man diejenigen, die dort wohnen, auch oft mit ihren Ständen und Angeboten teilnehmen. Ich habe also nicht den Eindruck, dass es ein Problem ist. Es ist auch so, dass hier nicht so viele (Geflüchtete) sind wie in anderen Stadtteilen. Für mich ist es inzwischen in ein normales Miteinander übergegangen. Also irgendwelche Konflikte, die bspw. mit der Flüchtlingsunterkunft entstanden sein könnten, habe ich hier nicht festgestellt. Und was WBS angeht – die ProPotsdam baut hier einige Blocks, wo WBS-Wohnungen zur Verfügung stehen, ich sehe auch hier kein Problem. Man wird allerdings darauf achten müssen, dass in diesen Blocks nicht nur WBS-Berechtigte unterkommen, sondern man wird eine Durchmischung anstreben müssen, um hier nicht zu einer „Ghetto-Bildung“ zu kommen. Damit kein Block entsteht, in dem nur WBS-Berechtigte untergebracht sind, sollte man versuchen, diese Wohnungen auf mehrere Blocks zu verteilen, sodass die einzelne WBS-berechtigte Familie gar nicht mehr auffällt. Wenn es in einem Block bleib, könnte es problematisch werden. ich weiß aber, dass das langfristig zumindest mitgedacht ist. Gleich zu Beginn wird das noch nicht möglich sein. Das liegt einfach daran, dass die Wohnungen für WBS-Berechtigte vorzusehen sind und wenn sie da sind, müssen sie auch entsprechend verteilt werden und können erst im Laufe der Zeit gegen Wohnungen in anderen Blocks ausgetauscht werden.

Redaktion Haben Sie eine Vermutung, wie die Wahlergebnisse für den Stadtteil Bornstedt ausfallen werden, eine Intuition?

Hr. Finken Schwierig. Da wage ich keine Prognose. Das ist eine derartige Gemengelage, dass man sehr schwer eine Prognose treffen kann. Wir haben hier bei der Kommunalwahl und der Europawahl immer ähnliche Wahlergebnisse, was die Verteilung auf die Parteien angeht. BSW (Bündnis Sarah Wagenknecht, Anm. Red.) ist jetzt neu. Wir müssen mal sehen, wie die einschlagen. Viele von den Linken, die BSW wählen, gibt es hier ohnehin nicht. Die sind in anderen Stadtteilen stärker vertreten, sodass man das also sehr schwer einschätzen kann.

Redaktion Haben Sie den Eindruck, weil Bornstedt noch ein relativ junger Stadtteil ist, in dem sich noch so viel gemeinsam entwickeln lässt, dass sich hier eine andere Zusammenarbeit zwischen politischen Akteuren vor Ort auftut und nicht das typische Hauen und Stechen?

Hr. Finken Kann ich nicht sagen. Ich war 2014 der einzige Stadtverordnete aus dem Bornstedter Feld. Die anderen wohnten nicht direkt im Wohngebiet. Es kam in der zweiten Wahlperiode, in der ich Stadtverordneter war, einige von anderen Parteien dazu. Wir hatten gemeinsame Veranstaltungen und ich hatte nie den Eindruck, dass es hier ein Hauen und Stechen gibt. Man lernt sehr schnell, welche Partei was vertritt und welche Möglichkeiten der Zusammenarbeit es gibt und welche nicht und das ist etwas, was eigentlich alle Stadtverordneten, die ich hier aktiv erlebe und erlebt habe, verinnerlicht haben, sodass es eher ein konstruktives Miteinander gegeben hat, als ein Gegeneinander. Ich komme darauf, weil ich bei einem der Stadtteilfeste, ich glaube im vorletzten (2023, Anm. Red.), erlebt hatte, dass verschiedene Akteure plötzlich gemeinsam am Grill standen und das wirkte auf mich wie die Idealvorstellung einer politischen Arbeit. Man kann unterschiedlicher Meinung sein und Vorstellungen haben und dann gibt es eben aber auch die Momente, wo man begreift, dass das jetzt hier für den Stadtteil, für den Ort ist und um die Menschen geht; und andere Dinge können in den Hintergrund treten.

Redaktion Ich hab‘ eine sehr sympathische Erinnerung an dieses Fest.

Hr. Finken Ja, das war eine gute Aktion. Ich habe da als Stadtverordneter teilgenommen, ich glaube, wir waren zu viert, und haben auch den Gewinn, den wir dabei gemacht haben, gespendet für eine soziale Sache hier im Stadtteil. Die haben wir auch gemeinsam übergeben. Das war also völlig problemlos. Also dabei spielten Parteigrenzen überhaupt keine Rolle. Und man sieht es auch bei den Veranstaltungen, sei es in Volkspark, an denen die Parteien teilnehmen können, oder beim Stadtteilfest, da stehen die verschiedenen Akteure, die verschiedenen Parteien nebeneinander, und man kennt sich untereinander. Und deshalb sehe ich keine Probleme.

Redaktion Ich habe im Kontakt mit vielen, die in der Corona-Zeit gerade erst in Bornstedt ankamen, aber auch von einigen, die schon eine Weile hier lebten, gehört, dass diese Corona-Zeit im Stadtteil besonders bedrückend empfunden wurde. Wie haben Sie das in Erinnerung?

Hr. Finken Ich habe keine negativen Erinnerungen daran. Abgesehen von den Einschränkungen, die natürlich jeder hatte, habe ich aber hier im Stadtteil keine Besonderheiten festgestellt. Ich kann für mich nicht bestätigen, dass es Probleme gegeben hat. Also ich habe zumindest keine festgestellt.

Redaktion … also wir haben einige drastische Erlebnisse gehabt, auch im Stadtteilladen Bornstedt, und Einschätzungen gehört, dass es hier besonders schwierig war, gerade für die, die hier frisch ankamen und gar keine Perspektiven sahen, anzudocken.

Hr. Finken Naja gut, wenn Sie irgendwo neu hinkommen, und ich bin in meinem Leben 11-mal umgezogen, daher weiß ich, wenn Sie irgendwo neu hinkommen, dauert es eine gewisse Zeit, bis man sich an das neue Umfeld gewöhnt hat. Man muss aber bereit sein, sich zu integrieren und auf das neue Umfeld zuzugehen. Das ist natürlich bei Corona schwieriger bis unmöglich gewesen. Deshalb kann ich mir schon vorstellen, dass darunter der ein oder andere gelitten hat, das kann ich sehr gut nachvollziehen. Ich glaube aber, dass sich das in der Zwischenzeit ausgewachsen hat. Und das ist, glaube ich, nicht typisch für dieses Wohngebiet, sondern das dürfte es überall gegeben haben, während der Corona-Zeit, und ist eine negative Erscheinung, die diese Pandemie halt mit sich gebracht hat.

Redaktion Wenn Sie einen touristischen Bericht zu Potsdam und dem Stadtteil Bornstedt verfassen sollten, und Sie hätten Raum, um über Verärgerung zu sprechen …nein, anders, wenn Sie jemand fragen würde: Soll ich nach Bornstedt ziehen(?), was würden Sie auf die Negativseite packen, um abzuraten?

Hr. Finken Ich würde keinem abraten, nach Bornstedt zu ziehen, weil ich, wenn ich es mit dem gesamten Stadtgebiet vergleiche nichts sehe, was einen davon abhalten könnte. Im Gegenteil, wir haben durch den Volkspark und die inzwischen entstandene Nahversorgungsinfrastrukturen so viel zu bieten, dass andere Stadtteile froh wären, wenn sie das hätten. Zum Beispiel der Volkspark mit seinem immensen Angebot, das müssen Sie in der gesamten Stadt suchen, das finden Sie nicht. Und das ist auf der Haben-Seite und macht unheimlich viele vermeintlich negative Dinge wett. Wobei ich tatsächlich keine negativen Dinge sehe.

Redaktion Wir haben häufiger den Aspekt „hohe Mieten“ gehört, zum Beispiel, und einige, die auf die Architektur angesprungen sind.

Hr. Finken Okay, ja, die hohen Mieten finden wir im gesamten Stadtgebiet. Wir haben halt hier sehr viel Neubau und Neubau muss finanziert und refinanziert werden. Und das ist gerade bei den privaten Investoren nur möglich über die Mieten. Die ProPotsdam hat die Möglichkeiten genutzt, Fördermittel in Anspruch zu nehmen und dadurch in ihrem Angebot auch eine ganze Reihe günstigerer Mietwohnungen, vor allem im WBS-Plus-Bereich, sodass wir hier also durchaus eine Mischung haben. Aber weil hier die meisten Geschosswohnungen von Investoren gebaut worden sind, muss das Geld irgendwo herkommen… Und dann kommt es zu solchen Mieten. Wir sehen auch jetzt, dass einige Baufelder nicht zu Ende gebaut werden oder erst gar nicht angefangen werden, weil eben die Baukosten so hoch sind und weil die Mieten, die aufgerufen werden müssten, unrealistisch sind. Das muss man also ganz klarsehen, dass wir hier im Vergleich zu Plattenbaubereichen in der Stadt natürlich vom Mietniveau auf einer anderen Ebene sein müssen. Das geht gar nicht anders aufgrund der Entstehungsgeschichte des Wohngebietes.

Redaktion Sie kommen ja viel rum, sind mit vielen im Gespräch, welchen Eindruck haben Sie: ist der Stadtteilladen Bornstedt mittlerweile als Begegnungsort überall angekommen? Gibt es da noch Aufmerksamkeitslücken bzw. sind das eher die typischen Insider, die dieses Angebot kennen?

Hr. Finken Es werden immer mehr. Es entwickelt sich. Am Anfang waren es tatsächlich nur Insider, die das gewusst haben. Aber ich denke, spätestens mit dem Umzug in die neuen Räumlichkeiten hat sich das geändert. Durch die Veranstaltungen der Stadtteilarbeit auf dem Johan-Bouman-Platz oder beim Stadtteilfest hat sich das geändert, wobei es ganz sicherlich noch Lücken gibt. Das ist aber eine normale Entwicklung. Man sieht es auch daran, dass immer mehr Gruppierungen sich für den Stadtteilladen interessieren, weil sie Räumlichkeiten brauchen und erkannt haben, dass hier die Möglichkeit besteht Veranstaltungen anzubieten. Das zieht sich hin, ganz klar, denn gerade Familien, die neu hierherziehen oder Familien mit kleinen Kindern sind auf andere Dinge konzentriert, die brauchen den Stadtteilladen so schnell auch nicht. Das sind Kita & Schule, sie haben einen Beruf, wenn Mann und Frau arbeiten, dann haben wir einen ganz anderen Bedarf im täglichen Leben, als wenn sie jetzt zum Beispiel Menschen nehmen, die keine Kinder mehr zu Hause haben, die abends Zeit haben, die das Angebot des Stadtteilladens annehmen können. Die interessieren sich natürlich auch aktiv dafür und stoßen auf das Angebot. Das muss sich weiterentwickeln und ich glaube, da sind wir auf einem guten Weg.

Redaktion Jetzt sagten Sie schon, im Oktober zeigt sich ein neuer Entwicklungsschritt. Ich glaube, sie (die neue Veranstaltung, Anm. Red.) läuft unter dem Titel „Erste Bornstedter Stadtteilversammlung“ und wird schon eine ganze Weile vorbereitet und soll in ein Stadtteilforum münden?

Hr. Finken Sehe ich als konsequente Entwicklung (der Stadtteilversammlungen, Anm. Red.) an, insofern kann es nicht die „erste“ sein. Wenn ich bedenke, wir haben 2014 oder 2015 in der Biosphäre schon die ersten Versammlungen der Interessenvertretung für alle Bewohner abgehalten. Daran haben über 400 Menschen aus dem Wohngebiet teilgenommen. Und wir haben immer wieder – alle ein, zwei Jahre – Stadtteilversammlungen durchgeführt, zusammen mit dem Entwicklungsträger. Wir waren auch in verschiedenen Schulen und verschiedenen Orten. Und insofern ist diese Veranstaltung nicht neu. Neu ist natürlich, dass das Ganze jetzt in das neue „Stadtteilforum“ für gesamt Bornstedt münden soll. Bei der ersten in November, die in der Biosphäre stattgefunden hat, ist das auf den Weg gebracht worden. Dabei wurde die Arbeitsgruppe gebildet aus Bornstedterinnen und Bornstedtern, die sich hier im Stadtteilladen getroffen haben. Und in acht Sitzungen oder mehr wurde das neue Format entwickelt.

Redaktion Im letzten Jahr, zur (oben genannten, Anm. Red.) Veranstaltung, da waren, würde ich über einen Daumen gepeilt schätzen, ungefähr 80 Bornstädter*innen, die nach meiner Beobachtung zu einem großen Teil aus Akteuren bestand, die hier ohnehin schon immer aktiv sind und relativ wenige „einfache Bürgerinnen“, die sich erstmals interessieren.

Hr. Finken Ja, das mag sein, aber nur so entwickelt sich das Ganze. Diese Stadtteilveranstaltung, egal wie man die nennt, hat es eigentlich durchgängig gegeben, seitdem es die Interessenvertretung gibt. Wir haben das damals Informationsveranstaltung genannt. Dabei wurde darüber informiert, wie die nächsten Entwicklungsschritte sind. Wir haben 2017 in der Fachhochschule Potsdam die Stadtteilwerkstatt gemacht Daran nahmen sehr viele Familie teil. Es hat die Stadtteilumfrage gegeben. Also es wäre falsch, da jetzt zu sagen, das ist die erste Stadtteilkonferenz. Die Möglichkeiten, sich selbst zu präsentieren oder die eigenen Bedürfnisse und die Probleme, die man sieht im Stadtteil, zu artikulieren, hat es immer gegeben. Und das ist für mich eigentlich das Wesen einer Stadtteilversammlung oder Stadtteilkonferenz Zu Beginn waren es immer die Dinge, die hier noch gefehlt haben, die man vermisst hat. Und so hat es sich weiterentwickelt. Das zieht sich wie ein roter Faden seit zehn Jahren durch das Wohngebiet. Deshalb ist die jetzt terminierte Stadtteilversammlung der Startpunkt der neuen Stadtteilvertretung, die wir auf den Weg bringen wollen und in der sich gesamt Bornstedt engagieren soll.

Redaktion Sie haben es jetzt „roten Faden“ genannt. Können wir von einer Kontinuität in Bornstedt sprechen?

Hr. Finken Zur Stadtteilvertretung und Stadtteilversammlung hin? Ja.

Redaktion Wir haben jetzt gerade im Bornstedter Fotowettbewerb eine Kategorie eingebaut: Wie stellst du dir das „Bornstedt 2034“ vor? Wenn Sie selbst zehn Jahre weiterdenken, welches Bild entsteht vor Ihnen Augen?

Hr. Finken In zehn Jahren wird es das Zentrum, von dem ich gesprochen habe, im Eingangsbereich der Biosphäre geben. Dann haben wir hoffentlich auch eine Lösung für die Biosphäre gefunden. Wir haben einen attraktiven Eingang für den Volkspark. Wir haben dort eine Infrastruktur, die Serviceleistungen, die Gaststätten anbietet, wo es ein Bürgerhaus gibt, wo man sich treffen kann: ein regelrechtes soziales Zentrum für das Stadtgebiet, an dem auch die „alten Bornstedter“ teilnehmen können. Vielleicht gibt es dann auch einen Ableger im alten Bornstedt. Das fehlt auch noch. Die „Villa Feodora“ hat, weil ich das mitbekommen habe vor vielen Jahren, das ist schon fast historisch, eine solche Rolle eingenommen. In dem Sinne gibt es das jedoch nicht mehr. Aber das wäre ein Ziel, dass man entwickeln kann, damit hier eine Art Kiezcharakter entsteht.

Redaktion Diese Aussicht würde ich als Schlusssatz nutzen?

Hr. Finken (nickt zustimmend)

Redaktion Dann sage ich erst mal vielen Dank für Ihre Erinnerungen und Einblicke in die Anfänge der Stadtteilarbeit Bornstedt und natürlich für Ihr jahrzehntelanges Engagement für den Stadtteil! Bornstedt, Herr Finken.

Foto Riemann/Stadtteilladen Bornstedt