Der Weg zu Marcels Werkstatt in der Kirschallee in Bornstedt führt durch einen schmalen Gang. An den Wänden Regale, auf denen sich mehr als 1000 flache Kartons bis zur Decke stapeln. Auf ihnen stehen Namen wie „Ferrari 312B“, „Excalibur SSK“, „8 Rad Sdkfz 232“ oder „Panther G“. Es sind Modellbausätze. Aus den Abertausenden von Einzelteilen, die in den Kartons lagern, baut Marcel Modelle. Allerdings nicht die, die die Hersteller der Bausätze vorgesehen haben, sondern ganz neue Kreationen.
Marcels neuestes Projekt steht auf dem Ateliertisch in der Mitte der Werkstatt. Es ist der Millennium Falke, ein fiktives Raumschiff aus dem Star Wars-Universum. In den 1970ern wurde der Millennium Falke vom US-Designer Joe Johnston für den Kinofilm „Krieg der Sterne“ entworfen – jenen Film, der den sensationellen Erfolg des Star Wars-Kosmos begründete. Heute, fast 50 Jahre später, hat sich Marcel zum Ziel gesetzt, das Film-Modell originalgetreu zu rekonstruieren, mit einer Länge von 1,20 Metern.
Marcel ist Modellbauer, seine Modellbau-Welt ist Star Wars. Diese Leidenschaft teilt er mit Menschen rund um den Globus. An dem Millennium Falken arbeitet der 46-Jährige virtuell mit einem Modellbauer aus Neuseeland zusammen.
Von Neuseeland über China nach Bornstedt
Marcels Spezialität ist das Aufsuchen und Besorgen von Teilen, die für ein Modell benötigt werden. „Bevor man mit dem Bauen anfängt, muss man ja erstmal wissen, welche Teile es braucht, und muss diese organisieren“, erklärt Marcel. Dafür studiert er Filmsequenzen und vor allem Fotos im Internet, zoomt sie groß, fängt an zu kombinieren.
Er setzt sich an seinen PC, zeigt auf ein Foto. „Hier zum Beispiel, das ist ein Teil aus einem Panzer-Bauset. Das habe ich sogar vorrätig.“ Für andere Teile muss er erst den passenden Bausatz aufstöbern, etwa auf Ebay. Für den Millennium Falken braucht er 186 Kartons mit verschiedenen Modellbausätzen, einige davon sogar dreifach. Die allermeisten gibt es schon seit Jahrzehnten nicht mehr im Handel. „Ich liebe dieses Suchen und Finden, es ist Nervenkitzel und Freude und pure Entspannung für mich.“ Marcel lächelt zufrieden, seine Augen glänzen. Die Ruhe, die ihm sein Hobby gibt, strahlt er auch auf sein Umfeld aus.
Besondere Teile fertigt Marcel extra an. Dazu gießt er sie mit Resin in selbstgefertigten Silikonformen oder gibt sie in Auftrag: 3D-Designer setzen seine Anleitung und Muster mit einem Grafik-Programm wie Fusion in eine Datei um. Beim Millennium Falken übernimmt diesen Part sein Freund aus Neuseeland. Die fertige Datei schickt Marcel nach China, wo das Teil mit professionellen 3D-Industriedruckern aus Resin gefertigt wird, welches „ABS like“ ist, also wie Kunststoff, wie er betont. Schließlich landet das Teil, gut gepolstert in einer Kiste, in Bornstedt.
An Bornstedt schätzt Marcel das Familiäre
Neuseeland, China, Bornstedt: Eine solch weltumspannendes Tun erwartet man nicht in der idyllisch gelegenen Werkstatt, die zuvor von einer Schneiderin genutzt wurde. Zu den beiden Räumen gehört ein kleiner Garten, in dem Marcel ein Klettergerüst für seinen achtjährigen Sohn aufgebaut hat. Am Wochenende kommt auch seine Frau gerne vorbei, sonnt sich im Liegestuhl. Am Abend wird zusammen gegrillt. „Das Wochenende ist Family time“, sagt Marcel. „Wir sind dann viel unterwegs, zum Beispiel im Volkspark.“ Feste wie das Ritterfest oder das Apfelfest lässt die kleine Familie nie aus.
„Ich schätze in Bornstedt das Familiäre. Man kennt sich, man grüßt sich“, sagt Marcel, der hauptberuflich als Systemadministrator arbeitet. „Es bietet viel Lebensqualität: Man hat alles zur Versorgung direkt in der Umgebung.“ Nur eine Schwimmhalle im Stadtteil vermisst Marcel. Er ist Berlin aufgewachsen und kam vor 25 Jahren nach Potsdam. In Bornstedt wohnt er seit acht Jahren. Allerdings zieht die Familie dieses Jahr um, da sie für die Wohnung eine Eigenbedarfsanmeldung bekommen hat. Die Werkstatt zieht mit um, es geht nach Plessow.
Eine US-Modellbau-Firma wurde auf seine Modelle aufmerksam
Über Marcels Facebook-Gruppe haben andere die Möglichkeit, am Modellbauen teilzuhaben. Auf Anfrage kann man einige Modelle gedruckt bekommen. Auch mit einer US-Modellbau-Firma ist die Gruppe ins Geschäft gekommen: Sie bringt ihr Modell des Tie Bomber als kommerziellen Bausatz heraus, lizensiert und in einer hohen Auflage. „Wir werden sogar namentlich auf der Box erwähnt. Das ist schon cool.“ Auf der Noris Force Con, der nächsten Star Wars-Convention Mitte September in Fürth, will Marcel der Community seinen Millennium Falken präsentieren. Noch sind an dem Modell die Stahlstreben sichtbar, er hofft, dass er rechtzeitig fertig wird.
Mit dem Millennium Falken schließt sich ein Kreis. Dieses Raumschiff war es, das Marcel vor knapp zehn Jahren zu seiner Leidenschaft brachte – durch die Hefte von DeAgostini, denen der Bausatz in Tüten beigefügt war. Mehr als 100 Tüten-Inhalte bastelte Marcel zusammen. Dann wurden ihm die fertigen Bausätze langweilig, und er begann mit der Modell-Entwicklung. „Mich reizt eine professionelle Art, Detailreichtum und Größe.“
Dass Marcel der Star Wars-Welt treu blieb, ist für ihn einfach zu erklären. „Der militärische Aspekt interessiert mich nicht, auch die Filme habe ich damals eher zufällig gesehen“, sagt er. „Ich bewundere die handwerklichen Fähigkeiten. Was die damals in den 1970ern in den Filmstudios geleistet haben, das ist einfach Wahnsinn.“ Einige Star Wars Original-Modelle sind nicht mehr vorhanden, sie wurden an Privatleute verkauft oder lagern im Archiv der Skywalker Ranch in Kalifornien. In Bornstedt entsteht ein Stück dieser Welt aufs Neue – eine fantastische Zeitreise.
Text: Beatrix Fricke
Juni 2025