Johannes Lepsius (15. Dezember 1858, Berlin – 03.Februar 1926, Meran)

 

Johannes Lepsius stammte aus dem gehobenen Berliner Bildungsbürgertum mit exzellenten Beziehungen in wichtige Kreise von Politik, Wissenschaft, Kirche und Hof.
Lepsius studierte zunächst Mathematik und Philosophie in München, später studierte er Theologie. Nach vollendetem Studium 1884 ging er als Hilfsprediger und Lehrer nach Jerusalem. Dort ist ihm zum ersten Mal die Realität des osmanischen Vielvölkerstaats begegnet, dessen Probleme sein Leben bestimmen sollten.
In Jerusalem kam er in Kontakt mit Kreisen, die hofften, dass sich von einem wiedergeborenen Nahen Osten der Frieden weltweit ausbreiten würde.
Das hieß, politische Verantwortung aus christlicher Gesinnung im Zweifelsfall auch gegen nationale Obrigkeiten zu übernehmen.
Johannes Lepsius war die prägende Figur der proarmenischen Bewegung im Deutschland der 1890er Jahre.
Bereits 1896 war sein umfangreiches Buch „Armenien und Europa“ erschienen – eine Bestandsaufnahme und politische Analyse der Armeniermassaker von 1894 bis 1896 mit weit über hunderttausend Toten. Es entfaltete eine erhebliche internationale Wirkung. Johannes Lepsius selbst ging es Mitte der 1890er Jahre zunächst darum, die Überlebenden der Massaker unter Sultan Abdul Hamid II. – meist Frauen und Waisenkinder – zu retten und so durch den Aufbau eines Hilfswerks die Grundlagen für eine Wiedergeburt des dezimierten armenischen Volks zu schaffen.

Im August 1914 feierte Lepsius den Ausbruch des Weltkriegs nicht, wie die Mehrzahl der gebildeten Protestanten seiner Zeit, als ein nationales Pfingsterlebnis. Lepsius musste erleben, wie die im Weltkrieg begangenen Verbrechen an den Armeniern (In den Jahren 1915/16 ermordeten Soldaten des Osmanischen Reichs gezielt Hundertausende Armenier durch Massaker und Todesmärsche) zunehmend in Widerspruch gerieten zu seinen christlichen Grundüberzeugungen. Deutschland, meinte er Anfang Dezember 1918, sei während des Krieges „durch Duldung und feige Untätigkeit mitschuldig an dem Untergange eines Christenvolks geworden“.
Im Sommer 1916 veröffentlichte Lepsius seinen berühmten dreihundertseitigen „Bericht über die Lage des Armenischen Volkes in der Türkei“ mit einer präzisen Darstellung der Zeitabläufe und der regionalen Ereignisse sowie genauen Statistiken und einer ausführlichen Analyse der Ursachen. 20.000 Exemplare waren bereits an Adressaten in ganz Deutschland verschickt, bevor die Zensur zugriff. Selbst seine engsten Freunde von der Deutschen Orient-Mission votierten nach langem Zögern und einer Intervention des Berliner Oberhofpredigers gegen eine Veröffentlichung des Berichts, vor allem weil er in eindeutiger und unmissverständlicher Weise die politische Schuldfrage thematisierte und so einen militärischen Bündnispartner öffentlich bloßstellte. Er selbst aber lehnte die „Pflicht des Schweigens, die mir zugemutet wurde“, aus prinzipiellen ethischen Gründen bewusst ab.
Die politischen Parteien in Deutschland ignorierten Lepsius’ Mahnungen weitgehend.
Er musste schließlich wegen drohender strafrechtlicher Verfolgung im Zusammenhang mit der deutschen Militärzensur seine Aktivitäten im benachbarten Ausland fortsetzen.

 Sein Engagement fand unter anderem eine Würdigung in Franz Werfels Roman Die vierzig Tage des Musa Dagh. Seit dem 02.Mai 2011 ist das Lepsius-Archiv in dem Gebäude in der Großen Weinmeisterstraße in Potsdam angesiedelt, in dem Johannes Lepsius von 1908 bis 1925 wohnte und arbeitete.

https://de.wikipedia.org/wiki/Johannes_Lepsius
Johannes Lepsius – eine deutsche Ausnahme | bpb
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